Wie spreche ich über meine Geschichte?
Das Interesse an den Erfahrungen und Erzählungen der Überlebenden des Holocaust war in den Nachkriegsgesellschaften jahrzehntelang gering. Erst ab Ende der 1970er Jahre wurden sie, in Form von groß angelegten Interviewprojekten, vermehrt ermutigt, über ihr Leben zu sprechen. Auch innerhalb der Familien herrschte oft aus verschiedenen Gründen Schweigen. Viele wollten nicht sprechen, um ihre Kinder zu schützen. Andere konnten nicht sprechen, weil sie keine Worte fanden, um ihre Erfahrungen mitzuteilen.
Interviews, wie sie in Ausschnitten auf der DVD zu sehen sind, stellen die ZeitzeugInnen vor eine schwierige Aufgabe. Wie über Erfahrungen erzählen, die so privat, so unvorstellbar, so schmerzhaft sind, dass sie eigentlich nicht mitteilbar sind – und das vor laufender Kamera, mit mehreren, zumeist fremden Menschen im Raum? Was nicht mit Worten gesagt wird, teilen sie uns mit ihrer Mimik, Gestik und Körpersprache mit. Oder sie finden andere Ausdrucksmöglichkeiten, wie in der Sequenz mit Shemuel Katz deutlich wird.
Diese Nuancen des Redens und Schweigens erschließen sich uns durch genaues und aufmerksames Sehen und Hören. Wir als ZuseherInnen haben unsere ganz eigenen Erwartungen und Vorstellungen an die Erzählungen der Überlebenden. Auch wenn wir es möchten – wir können uns den Interviews nicht unvoreingenommen nähern, sondern bringen unsere Sehgewohnheiten (z. B. aus dem Fernsehen), Familiengeschichten, Stimmungen, Interessen und eben Erwartungen mit. Das alles beeinflusst, wie wir auf die Erzählungen reagieren.